Entscheidungen über Leben und Tod. Die behördliche Praxis in der schweizerischen Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkrieges
Author(s) : Guido Koller
Source : https://www.amtsdruckschriften.bar.admin.ch/viewOrigDoc/80000195.pdf?ID=80000195
Abstract:
Die schweizerische Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg als vergangener Ereigniszusammenhang ist Geschichte. Und doch lässt sie sich nicht als ein Geschehen unter andern in den Lauf der Geschichte einordnen. Die Flüchtlingspolitik hat eine Nachgeschichte. Sie ist an moralische Implikationengebunden, die sich nicht in die Vergangenheit bannen lassen. Damit tut sich die Schweizer Gesellschaft nach wie vor schwer. Dies zeigen etwa die Diskussionen darüber, wie die offizielle Schweiz den fünfzigsten Jahrestag des Kriegsendes begehen soll. Oder auch die Reaktionen auf die Erklärung des Bundesrates, der am 8. Mai 1995 erstmals eine moralische Mitschuld der Schweiz am tragischen Schicksal abgewiesener jüdischer Flüchtlinge eingestanden hat. Das Selbstbild der Schweizer Gesellschaft ist mit der Erinnerung an die Kriegsjahre durchdrungen. Tatsächlich manifestiert sich diese um so deutlicher, je weiter sie sich zeitlich von den damaligen Ereignissen entfernt. Diese Paradoxie löst sich erst bei genauerem Hinsehen auf. Dabei ist die individuelle von der kollektiven Erinnerung zu trennen.