«In der Familie sind alle ganz nette Leute, aber never ever haben sie sich selbst mit Rassismus auseinandergesetzt» : Erfahrungen von adoptierten People of Color aus der Schweiz – eine qualitative Pilotstudie
Author(s) : Nadine Gautschi, Sebastian Funke, Denise Barriga Rodriguez
Source : https://www.knoten-maschen.ch/wp-content/uploads/2025/07/0709_Forschungsbericht-Erfahrungen-von-adoptierten-People-of-Colour_31.7.25.pdf
Abstract:
In dieser Pilotstudie haben wir die Erfahrungen adoptierter People of Colour (PoC) aus der Schweiz in acht semistrukturierten narrativen Interviews untersucht. Neben Rassismuserfahrungen und dem Umgang damit haben wir insbesondere auch den Umgang mit Race und Rassismus in den Adoptivfamilien in den Fokus genommen.
Die Befragten erleben seit ihrer Kindheit Alltagsrassismus und strukturellen Rassismus auf vielfältige Weise. Sie schildern, dass das Ausmass von Rassismus und die Bedeutung der Race-Zugehörigkeit von den Adoptiveltern nicht vollständig erfasst wurden. Mit ihren Adoptiveltern konnten die Befragten nur eingeschränkt über Rassismuserfahrungen sprechen, da diese zwar als wohlwollend, aber als wenig hilfreich und überfordert wahrgenommen wurden. Entsprechend waren die adoptierten PoC stark auf sich selbst und eigene Ressourcen im Umgang mit Rassismus angewiesen.
Die Analyse gibt Hinweise darauf, dass die gesellschaftsstrukturellen Benachteiligungen aufgrund der Race-Zugehörigkeit durch die privilegierte Class- und Race-Zugehörigkeit der Adoptiveltern aus Sicht der Befragten teilweise abgeschwächt oder nivelliert wurden. Dies betrifft beispielsweise den erleichterten Zugang zu höherer Bildung. In manchen Fällen führte die Race-Zugehörigkeit in Kombination mit einem schweizerisch klingenden Namen laut den Befragten sogar zu Vorteilen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Andererseits wirkten Gewalterfahrungen durch die Adoptiveltern als Kind zusätzlich erschwerend auf die Betroffenen einwirken. Zur gesellschaftlichen Abwertung durch Rassismus kam die weitere Abwertung durch die Adoptiveltern hinzu. Insgesamt zeigt sich deutlich, dass Rassismus und der Umgang damit kontinuierlich emotionale und kognitive Auseinandersetzungen sowie Anpassungsleistungen von den Betroffenen erfordern.
Die Befragten kritisieren die mangelhafte Sensibilisierung und Vorbereitung ihrer Adoptiveltern im Hinblick auf die Adoption eines Kindes of Colour. Der Fachdiskurs um Race und Rassismus im Kontext internationaler Adoptionen steht in der Schweiz noch ganz am Anfang. Vor diesem Hintergrund stellen sich Fragen, inwiefern Adoptiveltern, die gegenwärtig Kinder of Colour grossziehen, besser unterstützt werden können, und wie eine solche Unterstützung aussehen könnte.