Lernendenvorstellungen zu Migration und Flucht im Zyklus 3
Author(s) : Stefanie Rinaldi, Fabio Schmid
Source : https://doi.org/10.25321/prise.2023.1441
Abstract:
Hintergrund: In den letzten Jahren wurden Konzepte wie Bildung für nachhaltige Entwicklung oder Global Citizenship Education immer wieder kritisch diskutiert. Angesichts der Komplexität, Kontroversität und Dynamik globaler Belange ist es zentral, dass Lehrpersonen bestehende Lernendenvorstellungen zu solchen Belangen kennen.
Ziel: Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche Vorstellungen Lernende des Zyklus 3 vom Themenkomplex Migration/Flucht haben und wie Lehrpersonen im Unterricht damit umgehen können. Dadurch wird ein Beitrag zur Umsetzung der im Lehrplan 21 vorgesehenen fächerübergreifenden Themen unter der Leitidee Nachhaltige Entwicklung geleistet.
Stichprobe/Rahmen: Die Datenerhebung erfolgte anhand von acht Gruppendiskussionen in acht verschiedenen Klassen der dritten Sekundarstufe (Zyklus 3) in fünf Deutschschweizer Kantonen. Die Diskussionen waren in zwei Schritte aufgeteilt: Zunächst erstellten die Teilnehmenden Skizzen zum Themenkomplex Migration/Flucht (ca. 20 Minuten) danach stellten sie sich die Skizzen gegenseitig vor und diskutierten diese im Rahmen einer leitfadengestützten, moderierten Diskussion (20-40 Minuten). Das Sampling erfolgte nach vorab festgelegten Kriterien, wobei der Homogenität (gleiches Schuljahr) und der Heterogenität (räumliche Typologie: städtisch, periurban, ländlich; Leistungsniveau: A, B, C; Geschlecht: weiblich (w), männlich (m), divers (d)) Rechnung getragen wurde. Insgesamt nahmen 29 Schüler:innen an den Gruppendiskussionen teil.
Design und Methoden: Die Gruppendiskussionen wurden videografiert und anschliessend transkribiert. Die Transkripte und die Skizzen wurden qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet. Vorliegend werden die Ergebnisse des ersten Schrittes dieser Analyse, der Fallzusammenfassungen, präsentiert.
Ergebnisse: Es zeigt sich, dass der Themenkomplexes Migration/Flucht für die Jugendlichen eine grosse Relevanz aufweist. Oft sind die Vorstellungen der Lernenden fragmentarisch und teilweise wenig stringent. Persönliche Erfahrungen und ein generelles Gefühl der Empathie und der globalen Solidarität prallen auf mehr oder weniger diffuse Ängste vor «dem Anderen» sowie vor einem Verlust von Sicherheit und Wohlstand. Zudem sind mannigfaltige Konzepte erkennbar, die dem aktuellen Wissensstand widersprechen, beispielsweise die geografische Verteilung von Migrant:innen. Auch bezüglich der politischen Prozesse in der Schweiz sind solche Vorstellungen erkennbar.
Schlussfolgerung: Angesichts der Komplexität, Kontroversität und Dynamik des Themenfelds sowie der sehr heterogenen Lernendenvorstellungen stehen die Lehrpersonen vor der Herausforderung, Migration/Flucht als Lerngegenstand so aufzubereiten, dass sich die Lernenden ihrem individuellen Vorwissen entsprechend mit diesem Themenkomplex auseinandersetzen können. Ein besonderes Augenmerk sollte zudem auf das Spannungsfeld zwischen Bewusstsein für Privilegien und Ethnisierung/«Othering» sowie auf den Umgang mit Lernenden mit Migrationserfahrung gelegt werden.
Schlagwörter: Bildung für nachhaltige Entwicklung; Globales Lernen; Lernendenvorstellungen; Migration; Natur, Mensch, Gesellschaft; Zyklus 3